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Der Kuss des Fae

 

Ein paar Sekunden und drei kleine Worte hatten ausgereicht, um meine schillernde Zukunft und mein Herz in einen unübersichtlichen, chaotischen Scherbenhaufen zu zerschmettern. Drei Worte. Die Worte, die folgten, wogen kaum weniger schwer, aber ich nahm sie nur unterbewusst wahr. Drei Worte: Sie ist mein. Und damit war sie all das, was ich mir erhofft und erträumt hatte.

Das Schneewittchen mit dem grellroten Lippenstift, das an Jason hing, klimperte nervös mit den Wimpern. Ich konnte ihr ansehen, wie unwohl sie sich fühlte. Wie unwohl Jason sich fühlte. Daran, dass ich aussehen musste wie ein blinzelnder Kugelfisch, wollte ich gar nicht erst denken.

Jason hatte diese Frau gewählt. Nicht mich.

Zehn Jahre gemeinsam unter einem Dach; in fünf davon hatten wir das Bett geteilt. Zuletzt gestern. Für mich war er der einzige gewesen. Ich für ihn ganz offensichtlich nicht. Kein Wunder, dass er unsere Partnerschaft nie besiegelt hatte. Der alles besiegelnde Biss war mir verwehrt geblieben. Kein für immer und ewig. Sie mögen mich sicher für naiv halten. Sie werden mir sagen wollen, dass kaum eine Partnerschaft für immer hält. Nun, für Partnerschaften zwischen Menschen mochte das durchaus zutreffen. Auf eine besiegelte zwischen einem Elf und einem magiekundigen Menschen nicht. Darauf war ich – seit ich denken konnte – vorbereitet worden. Ich entstammte einer langer Ahnenreihe Magiekundiger. Magiekundige Menschen wurden in vier Kategorien unterteilt. Menschen, die eigene Magie wirken konnten, wie die Meister der Untoten, bildeten den ersten Grad. Umgangssprachlich abwertend Zombiedresseure genannt, waren sie eine heiß ersehnte Möglichkeit, nach dem eigenen Tod den Hinterbliebenen Geld zukommen zu lassen. Dann gab es Magiekundige, die mit fremder Magie arbeiten konnten. Sie waren in der Lage, diese einzudämmen, aber in keinster Weise zu ändern. Der dritte Grad beinhaltete diejenigen, die mit fremder Magie so arbeiten konnten, als wäre es ihre eigene. Der vierte, und seltenste Grad, vereinte den ersten mit dem dritten und wurde viel zu oft erst spät oder gar nicht erkannt.

Der zweite und dritte Grad dienten häufig den Elfen; manche auch Dämonen.

In einigen wenigen Familien, wie in meiner, war es Tradition, mindestens ein Kind dahingehend ausbilden zu lassen, einem Elf zu dienen. Schließlich brachte auch das viel Geld ein. Da ich zum dritten Grad gehörte, hatte ich seit meinem 6. Lebensjahr darauf ausgerichtete Privatschulen besucht und war mit 14 Jahren zu Jason gezogen, um mit ihm zu arbeiten. Mit 18 hatte ich mein Abitur gemacht. Mit 19 hatte ich mich in Jason verliebt und begonnen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Ein Fehler, wie ich eingestehen musste.

Denn manchmal – sehr selten – kam es vor, dass ein Elf sich für einen anderen magiekundigen Menschen entschied. Das es ausgerechnet mir passieren musste, war ein Schlag ins Gesicht.

Was zum Geier sollte ich jetzt tun? Ausziehen, keine Frage. Aber wohin? Zu meinen Eltern und ihnen diese Schande durch meine Anwesenheit vor Augen führen? Auf keinen Fall! Dafür war unsere Beziehung zu wenig… familiär. Seitdem ich sechs Jahre alt gewesen war, wohnte ich nicht mehr unter deren Dach. Und die wenigen Besuche bei ihnen hatten mich stets fühlen lassen, als wäre ich nur auf Zeit geduldet. Mich unter die normalen Menschen mischen, eine WG gründen, studieren? Eine Lehre beginnen?

„Sag doch was, bitte!“ Jason ließ diese Bombe platzen und erwartete von mir, dass ich Worte fand? Herrje, ich wusste, dass es ein biologischer Reflex war, den- oder diejenige durch einen Biss – unter unsereins als bindender Kuss romantisiert – an sich zu binden. Doch das setzte schon fast voraus, dass Jason nicht nur mein Bett warm gehalten hatte.

An der blassen, schwarzhaarigen Frau nahm ich keinerlei Magie war. Entweder war sie ein normaler Mensch oder ein magiekundiger Blindgänger, was ich mir jedoch keineswegs vorstellen konnte. Warum sollte sich Jason an einen normalen Menschen binden? Jemanden, der ihn weder unterstützen noch sich selbst schützen konnte? Schutz war in unserer Gesellschaft nämlich bitter nötig. „Glückwunsch.“, würgte ich hervor, „Ich packe meine Sachen.“

„Das musst du nicht. Lass dir Zeit.“ Ich winkte ab. Natürlich musste ich. Oder glaubte er, dass ich es scharf fand, wenn er mit seinem Schnuckelchen vor meinen Augen das verliebte Pärchen spielte? Zudem war sie das ganze Gegenteil von mir. Klein, schlank, mit lockigen, kaum schulterlangen Haaren und hellblauen Augen. Vermutlich gerade mal 18.

Falls überhaupt.

Ein wenig erinnerte sie mich an meine Mutter. Ich war eine wunderschöne, attraktive Frau. Soviel konnte ich mir eingestehen. Allerdings war ich auch eine große Frau mit sehr vielen Kurven. Und ein paar kleinen Polstern. Meine kastanienfarbenen Haare reichten mir bis zum Po. Lange Haare waren das Zeichen einer Frau, die einem Elf in allen Aspekten des Lebens diente und ebenbürtig war. Meine Haut war rein und  porzellanfarben – auch wenn ich noch soviel Zeit in der Sonne verbrachte – und meine Augen beinah schwarz.

Ohne weiter auf Jason einzugehen, lief ich in unser Schlafzimmer und begann, meine Koffer zu packen. Noch hatte ich keinen Plan, was ich tun sollte. In aller Eile packte ich nur das Notwendigste. Dann rief ich mir ein Taxi, ehe ich ins Bad verschwand. Dort wusch ich mir mehrmals mit kalten Wasser das Gesicht, um bloß nicht anzufangen zu heulen und flocht mir im Anschluss meine Haare. Mein Spiegelbild schien mich zu verhöhnen. Mit einem leisen Schnaufen gab ich ihm Recht. Kurzentschlossen zog ich den oberen Schubkasten des Spiegelschranks auf und griff zur Schere. Zwar musste ich mehrmals schneiden und mit Sicherheit war es schief. Scheiß drauf! Ich hielt den Zopf fest und wickelte ein zweites Gummi um das abgeschnittene Ende. In dem Moment klingelte es auch schon an der Tür. Mein Taxi. Perfektes Timing!

Ich lief mit dem Zopf in der Hand zurück ins Schlafzimmer, wobei ich Jasons entsetztes Einatmen vernahm. Mit dem Koffer lief ich wenig später an ihm vorbei, ließ den Zopf vor seinen Füßen fallen und lief zur Tür. „Missi, warte!“ Missi… ein bescheuerter Spitzname, der überhaupt nicht zu mir passte. Mein kalter Blick hielt ihn zurück. „Spar dir die Worte. Den Rest meiner Sachen hole ich mir in ein paar Tagen.“ Dafür musste ich ihn weder sehen noch das Haus betreten. Er wusste das ebenso gut wie ich. „War es das? Du gehst? Einfach so?“ Ich beantwortete seine Frage nicht. Die Tür hinter mir schließend, stieg ich ins Taxi und sagte diesem Teil meines Lebens Lebewohl.

Fürs erste logierte ich in einer kleinen Pension am anderen Ende der Stadt. Weit weg von Jason. Weit weg von meiner einstigen Zukunft, die jetzt Vergangenheit war. Das Gewicht meiner Haare fehlte mir. Und trotzdem fühlte es sich richtig an. Der Friseurbesuch, den ich kurz nach meinem Einchecken in der Pension erledigt hatte, hatte mich ein kleines Vermögen gekostet. Doch das war es mir wert gewesen. Jetzt musste ich nur noch den Anruf bei meinen Eltern hinter mich bringen und mir überlegen, wie es weitergehen sollte. Ums Finanzielle musste ich mir glücklicherweise vorerst keine Sorgen machen. Das war ein Vorteil, wenn man für einen Elfen auserwählt war: Es wurde vom Hohen Rat fürstlich belohnt. Obendrein genossen die Familienangehörigen des oder der Auserwählten einen entsprechenden Ruf. Denn magiekundige Menschen waren selten. Zudem wollte nicht jeder Magiekundige eine Bindung mit einem Elf eingehen. Oft waren es die Eltern, die strikt dagegen waren. Denn die wenigsten Elfen waren so charmant und umgänglich wie Jason.

Fakt war außerdem, dass die normalen Menschen um die Elfen und deren Einfluss in alle Belange der Menschheit Bescheid wussten. Sie himmelten sie an und fürchteten sich gleichzeitig vor ihnen. Das hielt viele jedoch nicht davon ab, mit einem Elf auf Tuchfühlung gehen zu wollen. Für uns magiekundige Menschen hatten die normalen recht wenig übrig. Immerhin waren sie der Meinung, dass es ihnen ebenso zustand, mit einem Elf zusammen zu sein, wie uns. Sie irrten sich.

Mehrmals tief ein- und wieder ausatmend, griff ich zum Telefon und wählte die Nummer meiner Eltern. Wie erwartet, waren sie am Boden zerstört. Ihr Status Quo als hochangesehene, ehrenhafte Familie war schlagartig erloschen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie wegziehen würden, um der Schmach zu entgehen. „Du kommst erst einmal zu uns. Wir reden und dann sehen wir weiter.“ Als ob Reden etwas an Jasons Wahl ändern würde.

Ich verdrehte die Augen, was sie am Telefon glücklicherweise nicht sehen konnte. „Ich bin in einer halben Stunde da. Plus minus ein paar Minuten. Hängt vom Verkehr ab.“ Und davon, wie schnell ein Taxi hier war. Seufzend legte ich das Telefon beiseite, ließ mich rücklings auf Bett fallen und starrte an die Decke. Die Tränen, die sich aus meinen Augen quetschen wollten, blinzelte ich hektisch beiseite. Ich würde nicht weinen. Nicht jetzt. Heute Abend vielleicht. Oder wenn mir meine Eltern genügend Dinge an den Kopf geworfen hatten. Dabei wussten sie sehr genau, dass niemals der Magiekundige die Wahl traf. Es lag immer am Elf. Wenn der nicht wollte, konnte sich der Magiekundige auf den Kopf stellen, mit den Ohren wackeln und einen Hula tanzen. Alles gleichzeitig. Trotzdem wäre es vergebens. Ich raffte mich auf und wählte erneut die Nummer des Taxiunternehmens.

32 Minuten nach dem Telefonat mit meiner Mutter, stand ich vor dem Haus meiner Eltern. Es fühlte sich für mich nicht wie ein Zuhause an. Vielleicht, weil ich mich kaum hier aufgehalten hatte. Denn Privatschulen bedeuteten auch, dass ich im Internat gewohnt hatte. Bis ich bei Jason eingezogen war. Einem Elf, der zwar aussah wie Mitte bis Ende 20, aber weit über 200 Jahre alt war. Zudem entsprach er jeglicher altbewährter Klischees bezüglich des Aussehens eines Elfen: blond, blauäugig, feingliedrig und nur wenige Zentimeter größer als ich. Meine Besuche bei meinen Eltern waren von ihnen zeitlich eng gesteckt und meist nur von kurzer Dauer gewesen. An Weihnachten oder anderen Feiertagen war ich immer im Internat geblieben, da sie zu dieser Zeit gern Reisen unternahmen.

Meine Mutter, die das Gehör eines Bluthundes besaß, öffnete die Tür, noch ehe ich klingeln konnte. Sie riss mich in ihre Arme und drückte mich derart fest, dass sie mir den Atem raubte. „Es tut mir so leid, Kleines.“ Sie ließ mich los, küsste meine Wange und strich mir über die Oberarme. „Na los, komm erstmal rein.“ Mein Vater, ein großer, hagerer Mann, der nur selten lächelte, beäugte mich, als wäre ich ein fremdes Wesen. „Hallo Dad.“

 „Was hast du mit deinen Haaren angestellt?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Abgeschnitten.“

„Das sehe ich. Warum?“ Ich lieferte mir mit meinem Vater ein Blickduell, das von meiner Mutter unterbrochen wurde. „Dein Vater hat Recht. Warum hast du die Haare abgeschnitten? Du dienst einem Elf.“ Ein Blickduell mit meiner Mutter war sinnlos. Daher antwortete ich sofort. „Ich habe einem Elf gedient, Mom. Er hat sich für eine andere entschieden. Glaubst du, ich ehre ihn weiterhin, indem ich die Haare lang trage?“

Meine Mutter hob eine Augenbraue. Was sie mir jetzt sagen würde, würde mir bestimmt nicht gefallen. „Es gibt mehr als einen ungebundenen Elf, Sydney. Das weißt du so gut wie ich.“ Ich schüttelte energisch den Kopf. „In meinem Leben wird es keinen weiteren Elf geben, Mom.“ Erst jetzt wurde mir klar, dass ich es genauso meinte, wie ich es sagte. Ich würde mir einen netten Mann suchen, der alles andere war als ein Elf. Zur Not würde ich sogar einen Vampir – was absolut irrsinnig wäre – oder einen Gestaltwandler nehmen. Die standen in der Hierarchie auf fast gleicher Ebene wie die Elfen.

Lediglich die elitären Wesen der Fae waren eine Klasse für sich.

Sie standen über allem.

„Darüber sprechen wir noch. Möchtest du einen Kakao?“ Ich verkniff es mir, die Augen zu verdrehen. „Nein, danke. Aber zu einem Kaffee sage ich nicht nein.“ Meine Mutter nickte. „Rainer, setzt du bitte Kaffee an? Ich spreche in der Zwischenzeit mit unserer Tochter.“ Hallo? Ich stand direkt neben ihr! „Setz dich, Sydney, und höre mir zu.“ Ich schluckte und folgte ihrer Aufforderung, obwohl mein Bauch schon jetzt ein leichtes Grummeln von sich gab. Nicht, weil ich Hunger hatte, sondern weil ich befürchtete, dass das, was sie sagen wollte, mir extrem auf den Magen schlagen würde. Nur wenige Minuten später musste ich feststellen, dass ich mit meiner Befürchtung Recht gehabt hatte. „Es geht nicht immer nur nach deinen Wünschen, Sydney. Du bist alt genug, um das zu verstehen. Wir haben mit dem Hohen Rat einen Vertrag. Der besagt, dass du dich an einen Elf bindest. Da Jason nicht der richtige war, wird es einen anderen geben.“

„Das steht so in dem Vertrag?“ Meine Mutter nickte. „Das wurde so ausgehandelt, ja.“

„Aber ihr habt das ohne mich entschieden.“ Sie winkte ab. „Dafür warst du nicht alt genug. Jetzt bist du es, um zu verstehen, dass wir den Vertrag nicht ohne erhebliche Einbußen auflösen können.“ Ich wurde hellhörig. „Welche Einbußen?“ Die nächsten Worte meiner Mutter hörte ich zwar, doch sie rauschten durch mich hindurch wie Säure. „Ihr habt mich verkauft?“

„In diesem Haus wird nicht geschrien, junge Dame!“ Nein. Aber in diesem Haus wurde die Tochter an den Hohen Rat verkauft. „Wie viel?“

„Eine Million pro angefangenem Lebensjahr. Wir müssten alles zurück zahlen, wenn einer von uns oder du den Vertrag für nichtig erklärst.“ Das wären 24 Millionen Euro. Ich war zwar flüssig, aber nicht so flüssig! Hoffentlich waren sie schlau gewesen und hatten das Geld gewinnbringend angelegt. „Wie viel habt ihr?“ Meine Mutter wackelte mit dem Kopf und schaute unschlüssig zu meinem Dad. „Etwa 120.000 Euro. Wir haben uns ein wenig verspekuliert.“ Schuldbewusst sah mein Vater aus dem Fenster, während meine Mutter sich etwas aufrechter hinsetzte. Als hätte sie jedes Recht dazu, mich zu tadeln und zu verschachern. „Du siehst, wir können nicht aus dem Vertrag. Zudem müssten wir hier wegziehen. Gerade jetzt! Was denkst du, was die Leute sagen, wenn wir plötzlich zugeben müssten, was passiert ist.“ Zustimmung heischend sah meine Mutter mich an. Ich wartete hingegen immer noch auf meinen Kaffee. Den würde ich mir wohl unterwegs besorgen müssen.

Ganz langsam stand ich auf und hängte meine Handtasche um. Das war einfach zu viel, was ich zu verdauen hatte. Ich brauchte Abstand zu meinen Eltern. „Sydney, wir sind unsagbar stolz auf dich.“ Meine Mutter wischte sich eine Träne aus den Augen. „Ich weiß, Mom.“ Ich wusste es wirklich. Und obwohl es mir gegen den Strich ging, was sie getan hatten, so waren sie doch meine Eltern. Ich konnte sie nicht im Stich lassen. Nicht, wenn es um einen Vertrag mit dem Hohen Rat ging. Denn wenn sie nicht in der Lage waren, das Geld aufzubringen, war der Hohe Rat der Elfen alles andere als feinfühlig oder gnädig.

Ich hörte, wie sich die Haustür öffnete und sah meine Eltern fragend an. Gleichzeitig hörte ich eine fröhlich klingende Stimme, während meine Eltern beide erst blass wurden und dann wie von der Tarantel gestochen aufsprangen. Ich hörte all das, was ich vermutlich nie hatte hören sollen, obwohl meine Mutter laut verkündete, dass Besuch da sei. Dass ich als Besuch ausgegeben wurde, erschien mir absurd.

„Mom, Dad, Überraschung. Ich wollte es euch persönlich sagen. Ich habe mir einen Elf geangelt. Der Zauber hat wirklich geholfen. Er hat in mir eine Magiekundige gesehen und mich auserwählt. Kein langes Warten wie bei meiner großen Schwester.“ Freudestrahlend bog der Schneewittchenverschnitt von heute Morgen um die Ecke und wäre beinah in mich gelaufen. Sofort fiel ihr das Lächeln aus dem Gesicht, während ich eins und eins zusammenzählte. „Ihr habt sie auf Jason angesetzt?“

„Was? Nein. Das ist nicht wahr. Süße, sag bitte, dass dein Elf nicht Jason heißt.“

„Verdammt, du bist meine Schwester?“ Alle sprachen durcheinander. Die Antworten waren mir egal. Ich hatte eine Schwester. Eine, die offenbar das erste Mal seit Generationen keine Magie anwenden konnte. Und dank meiner Mutter – die zwar nur einen ersten Grad der Magiekundigen aufweisen konnte, aber dennoch eine Koryphäe auf dem Gebiet der Zaubertränke war – hatte das schneewittliche Persönchen sich Jason unter den Nagel gerissen. Perfekt. Einfach perfekt!

„Wisst ihr eigentlich, was ihr angerichtet habt?“ Entsetzt atmete ich ein und wieder aus. Anscheinend hatte meine Mutter nicht halb so viel Ahnung von Elfen und den Menschen, die sie erwählten, wie von Magie. „Ich kann nicht glauben, wie dumm und verantwortungslos ihr seid.“ Binnen eines Wimpernschlags fasste ich einen Entschluss, der mir nicht sonderlich schwer fiel. Ich verließ die Küche. Verließ das Haus. Und verließ meine Familie, die nie eine richtige Familie für mich gewesen war. Sie hatten mich betrogen. Sie hatten mir eine Schwester verschwiegen und mir gleichzeitig meine Zukunft geraubt. Was nun kam, lag nicht mehr in meiner Verantwortung. „Sydney, warte, das kannst du nicht tun!“ Ich hörte das verzweifelte Kreischen dieser Person, die sich Mutter nannte und die flehentliche Bitte um Verzeihung von einer Schwester, die ich nie gekannt hatte.

Ich drehte mich nicht mehr um.

R. R. Alval

Fantasie für ihr Kopfkino

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