Cocktail reloaded
„Verdammt nochmal, Fabian! Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst dir endlich eine Bürokraft zulegen, die mit diesem Rechnungsprogramm auch umgehen kann. Hier sieht doch kein Schwein durch. So viele Zahlen und keine ergibt einen Sinn!“
Dass sein Bruder kochte, konnte Fabian nicht nur sehen, sondern auch sehr deutlich spüren. „Krieg dich wieder ein. Ich habe eine Annonce geschaltet.“ Max knurrte. „Wurde auch Zeit. Deine Schlamperei bringt uns noch in Schwierigkeiten.“ Fabian schnaubte empört. „Na hör mal, ich mache das seit gut zehn Jahren. Wie oft hast du dich in der Zeit um die Bücher gekümmert, hm? Du bist auf der Baustelle in deinem Container und machst Bestellungen, die ich dann allesamt sortieren und buchen soll, obwohl von der Hälfte die Belege fehlen.“
„Tun sie nicht. Sie sind alle in einem Karton, der unter meinem Schreibtisch steht.“
„Hmhm.“, brummte Fabian, war aber alles andere als erfreut über den Streit mit seinem Bruder. Immerhin hatte er ein Händchen für Geschäfte. Egal, ob die nun irgendwo schwarz auf weiß zur Verfügung standen oder in seinem Kopf, wo sie jederzeit abrufbar waren. Natürlich hatte Max Recht.
Das wusste Fabian auch.
Das Finanzamt wollte den Wisch sehen und er musste ihn vorlegen.
Verflixt, wäre nur Andrea noch da!
Der könnte die Behörden dazu bringen anzunehmen, dass alles seine Ordnung hatte. Ohne dass die auch nur ein Fitzelchen zu sehen bekamen. Aber Andrea hatte sich schmollend irgendwo verkrochen und war nicht erreichbar. Vermutlich leckte er sein angeknackstes Ego, nachdem er Jenny, Max’ Frau, nicht hatte bekommen können.
Dabei empfand Fabian allerdings auch ein wenig Mitleid mit seinem Onkel, der Jenny wahrscheinlich wirklich liebte.
„Ich wünschte, Andrea wäre hier.“, seufzte Max. Damit entsprach er Fabians Wunsch mit klaren, deutlichen Worten. „Hm, das sind wir schon zwei. Hast du eine Ahnung, wo er sich verkrochen hat?“ Wie Fabian bereits vermutete, hatte auch sein jüngerer Bruder keinen Plan.
Außer eben den, jemanden einzustellen, der sich mit dem Buchhaltungsprogramm auseinandersetzte. Einem Programm, das beiden Brüdern wie ein Ding mit sieben Siegeln erschien. „Vielleicht kann man es auch einfach handschriftlich erledigen?“ Fabian sah Max an, als hätte der ihm vorgeschlagen einen Wolkenkratzer zu verpflanzen.
„Klar doch. Nur möchte das liebe Finanzamt die Daten digital vorliegen haben.“
Er war froh, dass Max ihm nicht vorschlug, die handschriftlichen Notizen einfach einzuscannen, obwohl das seinem praktisch veranlagten Bruder durchaus zuzutrauen wäre.
„Ich habe eine Annonce geschalten, also reg dich ab. Drück mir nur die Daumen, dass, wer auch immer kommt, mehr von diesem verdammten Programm versteht als wir!“
Max nickte feierlich, klopfte seinem Bruder verabschiedend auf die Schulter und verließ das Büro, was wesentlich größer und komfortabler als dessen eigenes war.
Fabian seufzte, vergrub seinen Kopf in den Händen. Hoffentlich meldete sich bald jemand auf seine Anzeige, die er jetzt nun schon seit – er sah auf die Uhr – drei Stunden und 45 Minuten geschalten hatte. Nervös trommelte er mit den Fingern auf den Schreibtisch, was sonst so gar nicht seine Art war und wartete.
So schnell würde sich natürlich niemand melden, aber er saß wie auf Kohlen. Er hatte keinerlei Ambitionen dem Finanzamt erklären zu müssen, wohin die Daten der letzten Jahre verschwunden waren.
Schließlich konnte er denen nicht sagen, dass die nie existiert hatten.
Ach verdammt! Andrea hätte schon längst wieder da sein müssen. Aber wie er seinen Onkel kannte, könnte es Monate oder sogar Jahre dauern, bis der wieder auftauchte.