Sämtliche Bücher sind bisher nur in Vorbereitung. Sobald eine Veröffentlichung spruchreif ist, werden die Termine zeitnah bekannt geben.
Bitte demzufolge bei den Leseproben beachten:
Es sind reine Rohfassungen!
Ohne Korrekturat; ohne Lektorat.
Sollten Sie Fehler finden - und das werden Sie sicher - dürfen Sie die gern waschen, in den Trockner werfen und anschließend einrahmen. *zwinker*
Schlafender Zorn
Kapitel 1
Henry hatte schlechte Laune. Ich merkte es. Noch bevor er den Mund öffnete.
Seine Augen hatten dann jedes Mal diesen komischen Ausdruck. Wenn er heimkam, hatte er sowieso nur noch selten gute Laune. Aber das hatte nichts zu heißen.
Er fand immer einen Grund. Irgendwas hatte ich bestimmt wieder falsch gemacht.
Vielleicht vergaß ich Dinge ganz einfach. Bei manchen war ich mir sogar sicher, dass ich sie mir nur einbildete. Obwohl sie manchmal echt waren. Doch an meine Aufgaben erinnerte ich mich. Selbst wenn Henry mir einredete etwas übersehen zu haben. Mir sogar unterstellte, dies absichtlich zu tun.
Henry war nicht jähzornig. Ganz gewiss nicht.
Dafür war sein Zorn viel zu kalt.
Viel zu gut durchdacht.
Aber nie – niemals – aufbrausend. So auch heute.
Warum nur fand ich nicht die Kraft ihn einfach zu verlassen? Liebte ich ihn denn noch?
Schluckend stand ich im Flur. Verschränkte die Hände im Schoß; neigte meinen Blick.
Könnte ein Fehler sein.
Gestern war es einer gewesen ihn anzusehen. „Warum siehst du mich nicht an, Frau? Hast du was angestellt?“ Ich schüttelte den Kopf; innerlich bereits darauf eingestellt, dass er mich schlug.
Wie oft hatte ich mir vorgenommen meine Sachen zu packen?
Wie oft hatte Ronja, meine älteste Tochter, mich geradezu angefleht das zu tun?
Aber ich musste auch an Annika denken. Sie liebte ihren Vater abgöttisch. Und er sie. „Hast du deine Sprache verloren?“ Sanft. Einschmeichelnd. Blinzelnd hob ich den Kopf und sah in seine Augen. Seine Finger schlossen sich schmerzhaft um mein Kinn. „Nun?“ Ich verneinte. Er ließ mich los. „Wo ist mein Schätzchen?“, rief er durch den Flur und bekam eine kichernde Antwort unserer kleinen Tochter. Wie so oft war sie nur deshalb noch wach, weil ihr Vater jeden Tag später heim kam. Einmal hatte ich mir erlaubt ihm zu sagen, dass dies falsch sei, dass sie feste Zeiten brauchte.
Seine Reaktion hatte aus drei Dingen bestanden: Einem eiskalten Blick. Der Frage, ob ich ihn maßregeln wolle. Und einem derart heftigen Schlag ins Gesicht, dass mir prompt ein Zahn ausgefallen war.
Die Tür schloss sich hinter ihm.
Ich hörte, wie er leise mit Annika sprach. Ihr etwas vorlas. Ihr eine gute Nacht wünschte. Beinah konnte ich sehen, wie er ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn hauchte.
Wenig später kam er heraus. Er ging in die Küche und setzte sich an den Tisch. „Muss ich mich selbst bedienen oder leistest du auch mal etwas dafür, dass ich Geld verdiene? Faul auf der Haut liegen, kannst du wenn du tot bist.“ Tief einatmend bediente ich ihn. Widerworte gab ich schon lange keine mehr.
Naja, selten.
Das animierte ihn nämlich nur umso härter zuzuschlagen. Hätte ich nur geahnt, dass ich einen Tyrann heiratete. Aber leider besaßen die keine Warnschilder.
Natürlich hatte er etwas zu bemängeln. So war es immer. Mal war das Essen zu kalt. Oder zu heiß. Zu wenig gewürzt oder zu viel. An einem Tag war es sein Lieblingsessen. An einem anderen musste ich riechen, dass er sowas nie und nimmer hinunter bekäme. Ich putzte und wienerte den ganzen Tag, damit er bloß nirgends einen Staubkrümel entdeckte. Denn auch das hatte Konsequenzen. Zu dumm, dass er trotzdem immer einen Anlass fand mir weh zu tun. Ganz besonders, wenn er schlechte Laune hatte.
So wie heute.
„Wo ist Ronja?“ Bei einer Freundin. Das sagte ich ihm auch. „Freundin, hm? Diese kleine Schlampe wird ihre Beine breit machen und sich ficken lassen. Diesem Dreckstück gehört ordentlich der Arsch versohlt!“ Verächtlich spuckte er einen Teil des Essens zurück auf den Teller, weil ich mich erdreistete ihm zu widersprechen und meine Tochter in Schutz zu nehmen. Er hatte sie weder zu beleidigen noch jemals anzufassen.
Ganz langsam stand er auf. „Komm her.“ Ängstlich wich ich einen Schritt zurück. Schüttelte den Kopf. „Ich sagte, du sollst herkommen.“ Mein Herz klopfte in meinem Hals. Ich weigerte mich.
Ha! Als ob ich freiwillig zu ihm ginge.
„Henry, bitte. Ich verstehe dich nicht. Wenn dir das alles nicht passt, dann geh doch. Anscheinend bin ich ja für nichts mehr gut genug.“ Er nickte. „Stimmt. Aber es würde eine Ewigkeit dauern, bis ich mir eine andere so gut erzogen hätte. Und jetzt komm her.“ Er winkte mich mit dem Finger zu sich. Mit der anderen Hand löste er seine Gürtelschnalle. Ich zitterte. Panik überkam mich. Henry würde mich nicht vergewaltigen.
Oh nein.
Sex war etwas, was ich nur noch vom Hören-Sagen kannte.
Er hatte etwas ganz anderes im Sinn. Und darauf konnte ich ganz gut verzichten. „Du bist meine Frau. Ich kann mit dir tun und lassen, was ich will!“ In welchem Jahrhundert lebte er eigentlich? „Kannst du nicht! Ich möchte, dass du deine Sachen packst und gehst.“ Er verzog seine Mundwinkel zu einem Lächeln. „So. Möchtest du? Interessiert mich nicht.“ Ich zuckte mutig mit den Achseln. „Dann gehe ich.“ Mit zwei Schritten war er bei mir und packte mich an den Armen. „Du? Was willst du denn ohne mich tun?“ Eine vernünftige Unterhaltung konnte ich vergessen.
Wofür hielt er mich?
Ganz gewiss nicht für ein eigenständig denkendes Lebewesen. Höchstens für seine Putzfrau. Und seinen Prügelbock. „Lass mich los!“ Mich aus seinen Armen zu winden blieb zwecklos. Er hatte den Griff eines Schraubstocks. „Natürlich.“, meinte er lächelnd. Er ließ mich los. Stieß mich gleichzeitig heftig von sich, so dass ich gegen die Wand flog. Auf meine noch von gestern schmerzende Schulter. Und sehr zum Leidwesen meines – von vorgestern – angeknacksten Knöchels.
Ich wusste, dass ich etwas unternehmen musste.
Nur fehlte mir der Mut.
Was, wenn Henry mich verfolgte?
Was, wenn er… Ich sollte zu einem Arzt gehen. Doch mich bei dem dahingehend zu äußern, wie es zu den Verletzungen kam… Ich brachte es nicht über mich.
Auf keinen Fall wollte ich als misshandelte Ehefrau bemitleidet werden. Obwohl ich genau das war. Würde mir überhaupt jemand glauben?
Der feinfühlige, angesehene Henry Nogel ein Frauenschläger?
Undenkbar.
Außerdem erinnerte ich mich zu gut an einen Vorfall vor einem halben Jahr: Ich hatte zu dem Zeitpunkt ein blaues Auge. Tiefblau. Beinah schwarz. Hinter meinem Rücken tuschelten die Leute. Erst dachte ich, dass sie mich bedauerten. Doch dem war nicht so. Henry hatte Dinge über mich verbreitet, die nicht stimmten. Zum Beispiel, dass ich fremd ging. Dass er nicht sicher sei, ob Annika seine Tochter wäre. Dass ich ihn ständig herausforderte. Dass im Haushalt alles liegen blieb und er sich darum kümmerte.
Den Mund aufzumachen nutzte mir nichts; das hatte ich sehr schnell bemerkt.
Henry wusste genau, wie er mir weh tun konnte. „Was stehst du da noch rum? Räum den Tisch ab.“ Ich hasste es, wenn er mit dieser sanften Stimme sprach.
Als könne er kein Wässerchen trüben.
Doch ich wusste es besser.
So wie ich am Tisch stand, packte er von hinten meine Haare. Bog meinen Kopf soweit zurück, dass ich schon halb in die Knie ging. Sonst bräche er mein Genick. Gleich darauf schleuderte er mich erneut von sich. Ich kam auf dem Tisch zu liegen. Auf dem leeren Teller. Meine Hand auf der Gabel. Was Henry bemerkte.
Und ausnutzte.
Weiterhin meine Haare im festen Griff, stemmte er sich mit seiner rechten Hand mit seinem gesamten Gewicht auf meine. Die Gabel grub sich schmerzhaft in die Handfläche. Ich schrie. Daraufhin riss er grob an meinen Haaren. Riet mir, ruhig zu sein. Tränen liefen mir übers Gesicht. Kümmerte ihn nicht im Geringsten. Meine Haare gab er frei. Dafür griff er mir nun unsanft ins Genick. Hob mich vom Tisch. Schleuderte mich auf den Boden.
Das Tischbein war im Weg.
Morgen hätte ich eine schöne Beule.
Ich blinzelte benommen die Sterne weg und versuchte mich aufzurappeln. Doch Henry trat auf meine bisher unverletzte Hand. Ich hörte das Ratschen des Gürtels, den er aus seiner Hose zog. Dann vernahm ich zuerst das unverwechselbare Surren – wie dieser durch die Luft schwang – bevor er mich traf. Ich schrie erneut. Mein Rücken brannte. Kurz darauf mein Kopf. Meine Seite. Mein Hintern. Meine Oberschenkel. Die Gürtelschnalle war furchtbar!
Ich versuchte zumindest mein Gesicht in Deckung zu bringen. Behagte ihm nicht.
Unwirsch fasste er abermals in meine Haare.
Zog mich hoch.
Wumm! Der Schlag hatte gesessen.
Bestimmt zeichneten sich alle fünf Finger auf meiner Wange ab.
Ich zitterte. Die Tränen liefen unaufhaltbar. Ein Geräusch gab ich gleich darauf keins mehr von mir. Henry drückte mir die Luft ab. Verzweifelt versuchte ich seine Hände von meinem Hals zu bekommen. Ich grub meine Nägel in seine Haut. Was nur dazu führte, dass er mir erneut ins Gesicht schlug. Mich anspuckte.
Das Schlimmste?
Die ganze Zeit lächelte er.
Irgendwann ließ er von mir ab. Rechtzeitig, ehe ich ohnmächtig wurde.
Benommen röchelnd sank ich auf den Boden. Hörte zwischen dem Rauschen meiner Ohren die Anweisung, die Sauerei aufzuräumen. Als wäre nichts gewesen, schlenderte er gemütlich ins Bad. Ich versuchte mich zu beruhigen. Zählte langsam bis zehn.
„Mama!“ Oh Gott. Ronja. Sie war schon zurück? „Dieses Arschloch!“ Sie schnaubte, während sie mir auf die Beine half. „Geht’s?“ Alles drehte sich. Aber ich stand. Also ging es. Ich nickte vorsichtig. „Annika?“ Ich schluckte. Schmeckte Blut. Meine Lippen waren aufgerissen und geschwollen. Und so wie mein Blickfeld eingeschränkt war, musste wohl auch ein Auge am Zuschwellen sein. „Ich hoffe, sie schläft.“, brachte ich mühsam hervor. Ronja zog den Stuhl für mich heraus, wies mich an mich zu setzen und griff zum Telefon.
Schlagartig beschleunigte sich mein Herzschlag.
„Was hast du vor?“ Meine Stimme war nur noch ein Hauchen. Sie wählte bereits. „Das, was ich hätte schon längst tun sollen. Ich rufe die Polizei.“ Hatte ich Angst?
Oh ja! Ganz sicher sogar.
Hoffentlich war das kein Fehler.
„Ich wünschte, Tante Mia wäre hier.“, flüsterte Ronja. Leise zwar, aber für mich immer noch hörbar. Das Rauschen in meinen Ohren hatte aufgehört. Gott sei Dank. Aber woher kannte Ronja Mia? Ich dachte immer, Mia sei eine Einbildung. Wenn auch manchmal eine sehr lebhafte. Ich schob diese Augenblicke stets auf die starken Schmerztabletten, die ich häufiger nahm, als mir lieb war.
Ronja sah mein Stirnrunzeln. Sagte jedoch nichts dazu.
Schuldbewusst sah sie weg.
Obwohl sie überhaupt keine Schuld traf.
Dann konzentrierte sie sich jedoch völlig auf den Anruf. Nannte Namen und Adresse. Was vorgefallen war. Das Henry sich immer noch im Haus aufhielt. Das ich verletzt war. „Ronja, Süße, du kannst auflegen.“ Mein Herz blieb mir beinah stehen.
Ich hatte doch eine Schwester.
Oder nicht?
Sie stand jedenfalls mitten im Raum. Obendrein nicht allein.
Bei ihr stand der wohl Furcht einflößendste, attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte.
Ronja atmete erleichtert aus, legte das Telefon beiseite und flog ihrer Tante in die Arme. „Das wurde auch Zeit, Tante Mia.“ Diese lächelte und tätschelte ihrer Nichte liebevoll den Rücken. Ronja war nur ein bisschen kleiner als ihre Tante. Aber trotzdem größer als ich. Ich versuche ein Lächeln.
Was mir jedoch kläglich misslang.
Mir tat alles weh.
Der große, dunkle Unbekannte sagte gar nichts. Sah sich lediglich schweigend um. Dann mir direkt in die Augen, ehe er auf mich zukam. „Du bist also Mias Schwester. Ich verstehe, warum sie zu mir gekommen ist. Ich stelle dir jetzt eine Frage. Wie dein Leben weitergeht, liegt allein bei dir. Und kommt darauf an, was du antwortest.“ Ich nickte.
Verstand jedoch kein Wort.
Was sollte eine Frage an meinem Leben ändern?
Konnte er mir Henry vom Hals halten oder nicht?
Das war die Frage, die ich beantwortet haben wollte. Doch ich stellte sie nicht. Hörte ihm zu. „Bist du bereit, all das hier aufzugeben und von vorn anzufangen? Zusammen mit deinen Töchtern?“ Unsicher sah ich zu Ronja, die aufmunternd nickte. Alles aufgeben. Das hatte ich bereits vor Jahren: Henry entschied über mein Leben. Freunde hatte er alle verjagt. Mich Schritt für Schritt von der Welt abgekapselt. Was würde ich schon verlieren? Nein, verlieren würde ich nichts. „Ja, bin ich.“, antwortete ich deshalb.
Ich konnte nur gewinnen.
Angesichts der mächtigen Ausstrahlung dieses Mannes vor mir, war ich mutig. Mit ihm als Rückendeckung, würde selbst Henry mir nicht mehr zu nahe kommen. Dessen war ich mir sicher. „Gut.“ Er stand auf, drehte sich um und unterhielt sich mit meiner Schwester in einer fremden Sprache.
Ein Ausländer also.
Hm.
Sein Deutsch war tadellos.
Es war mir egal, woher er kam. Selbst wenn er vom Mars stammte! I
Ich kicherte.
Absolut unpassend in dieser Situation. Außerdem verstärkte es nur den Schmerz. Stöhnend fasste ich an meinen Mund. Zuckte jedoch zusammen, weil auch meine Hand – ach was, alles! – weh tat. Der Mann sprach mit Mia. Es schien, als gäbe er ihr eine Anweisung. Dann wand er sich erneut an mich; kam direkt auf mich zu. Warum mein Herz so schnell klopfte, wusste ich nicht. Vielleicht, weil er eine Macht ausstrahlte, die mir unheimlich war. „Schließ die Augen.“ Machte ich. Sah jedoch noch, wie er sich vor mich kniete. Ich spürte, wie er meinen Nacken umfasste. Spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Gleich darauf das hartnäckige Pochen meines Kopfes.
Und eine herrliche Wärme.
Ruhe überkam mich: Einlullend. Schwebend. Schwerelos.
Aus weiter Ferne hörte ich, wie sich Ronja und meine Schwester unterhielten. Der Inhalt ihres Gesprächs blieb mir allerdings verborgen. Dafür sprachen sie zu leise.
„Wer sind Sie, und was tun Sie verdammt nochmal mit meiner Frau? Und du… was machst du hier? Hab ich dir nicht ausdrücklich verboten hier aufzukreuzen?“ Oh Gott! Henry war aus dem Bad gekommen. Eigenartig, dass es mich nicht die Bohne interessierte. Ich versteifte mich nicht einmal. Als könne der große Mann, der vor mir kniete und meinen Nacken umfangen hielt, alles regeln. Allmählich glitt ich von dem Zustand des Schwebens in einen tiefen Schlaf.
Doch anders als sonst wünschte ich mir wieder aufzuwachen.