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König aller Könige
Kapitel 1
„Mariaaaaaaaaa!“ Mit sich ungleichmäßig öffnenden Augenlidern hob ich meinen Kopf vom Lenkrad, auf dem ich eingenickt war. Mein Kollege Pit stand grinsend neben dem herunter gekurbelten Fenster. Müde schmatzend rollte ich mit den Augen. „Lass mich. Ich hab noch…“, ich sah an die Uhr, „… über eine Stunde!“ Er schüttelte hastig den Kopf. „Mir egal. Wir zwei Hübschen haben eine Sondertour. Hopp, hopp, werd‘ munter, du musst los.“
Ich fuhr mir mürrisch durch die Haare, schob lustlos die Fahrertür auf und schwang mich aus dem Transporter, um Pit zur Ausgabe hinterher zu traben. Hoffentlich nicht schon wieder ein Kuhkaff. Eins, in das man nur auf Schleichwegen gelangte; sogenannten einspurigen Landstraßen.
Auf denen mir mindestens ein Sonntagsfahrer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h vornweg tuckerte. Sonst müsste ich Pit erwürgen. Und anschließend über ihn drüber fahren.
Mehrmals.
Sobald Pit seine BTM in der Hand hatte, sprintete er grinsend los. Es fehlte nur noch, dass er winkte und mir die Zunge rausstreckte. Er tat nur ersteres.
Mein Elan hielt sich in Grenzen. Gähnend nahm ich die kleine Tüte entgegen und sah auf die Adresse. Oh… ich würde Pit überfahren müssen. „Ihr wollt mich verarschen, oder? Das schaff ich nie und nimmer in einer Stunde!“ Tom zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Zur Not musst du deine letzte Tour tauschen. Das hier ist wichtig.“ Ja, war es immer. Sah ich auch ein. Aber demnächst würde sich das ändern. Ich würde die freie Zeit zwischen den Touren nicht mehr hier aufkreuzen, sondern sie auf einem Parkplatz in der Nähe verbringen.
Das war besser für meine Nerven und meine ständig auf Halbmast hängenden Augenlider.
Verdammt, wann hatte ich das letzte Mal ausgeschlafen? Ich konnte mich nicht erinnern.
Mit einer dezenten Wut im Bauch und das furchtbar wichtige Betäubungsmittel auf dem Beifahrersitz, brach ich auf. Die letzte Tour tauschen? Kam gar nicht in Frage! Und falls so ein blöder Sonntagsfahrer vor mir meinte schleichen zu müssen, dann würde ich den eben anschieben.
Zwanzig Minuten später hätte ich liebend gern in das Lenkrad gebissen oder ein riesiges Schild mit einer dicken, fetten 100 drauf an meine Frontscheibe geklemmt. Die Sache hatte nur ein paar winzige Haken: Ich konnte das Gefährt vor mir nicht anschieben. Und die Zahl würde der Fahrer leise lächelnd ignorieren. Ganz zu schweigen davon, dass ich dieses blöde Vehikel von einem Pferdegespann nicht überholen konnte!
Wäre neben der schmalen Straße ein Feld, wäre ich schon über alle Berge.
Mit einer dicken, fetten Staubwolke.
leider gab es jedoch massenhaft Bäume, die von Felsen oder steilen Berghängen abgewechselt wurden. Die wenigen Einbuchtungen, in die man huschen konnte, sollte Gegenverkehr auftauchen, ignorierte der auf dem Bock sitzende. Einfach fantastisch.
Also gondelte ich mit einer zwanzig durch die Gegend. Außer mir und dem vollbesetzten Pferdegespann mit lustigen, angesäuselten Leuten hatte sich kein anderes Auto auf diese Straße verirrt. Kannten die Einheimischen eine Abkürzung?
Einen Waldweg?
Irgendwas?
Mein schlaues, fast allwissendes Navi – von plötzlichen Umleitungen, Sackgassen und hin und wieder auch Einbahnstraßen einmal abgesehen – hatte hier nämlich keinen Empfang. Zu schade, dass die Straße obendrein Kurven besaß. Sonst hätte ich das Lenkrad zwischen meine Beine geklemmt und ein kleines Nickerchen gemacht. Das stete Zuckeln im ersten Gang tat meiner Schläfrigkeit nicht gut. Bloß gut, dass die vor mir alle betrunken waren. Die hätten sich bestimmt köstlich darüber amüsiert, wie ich krampfhaft versuchte meine Augen offen zu halten. Was mir nicht gelang. Sie klappten immer wieder zu. Und zwar alles andere als synchron.
Nach einer anstrengenden Fahrt von einer knappen Stunde, erreichte ich die Apotheke, lieferte das Medikament ab, ließ es mir quittieren und machte mich auf den Rückweg.
Ich ächzte stöhnend, als sich nur wenige Meter vor meiner Auffahrt auf diese blöde Landstraße ein Traktor vor mich quetschte. Ich beschimpfte ihn mit allem, was mir in den Sinn kam. Was er dummerweise über den Lärm seines Gefährts gar nicht hörte.
Als ich nach einem gefühlten Jahrhundert endlich wieder in die Verteilerstelle rauschte, konnte ich meinen Zorn kaum verbergen. Mit langen Schritten lief ich zu Tom, der immer noch hinter dem Schalter stand und knallte ihm die leere Tüte hin. „Diese bekloppte Tour fahre ich nie wieder! Dafür könnt ihr euch einen anderen Idioten suchen.“ Der ältere Mann ging förmlich in Deckung, als er mir den Schein für die letzte Tour durch das kleine Fenster reichte, die ich heute fahren musste. „Du verarschst mich doch. Ich muss verdammt noch mal um neun im Taxi sitzen!“ Er schluckte hörbar und stammelte, dass dies die einzige zeitnahe Nachttour wäre. Ich krallte mir den blöden Zettel und lud geräuschvoll die Wannen ein, die schon vollständig bereit standen. Dabei schimpfte ich für jeden hörbar. Doch ich hatte mein Soll zu erfüllen. Eine Wahl blieb mir nicht.
Ha!
Ein Kurierfahrer brauchte keinen Schlaf. Wir funktionierten nämlich im Standby.
Prompt kam ich zu meiner neun-Uhr-Schicht zu spät. Mein Chef schüttelte kaum merklich den Kopf, kniff ein wenig die Lippen zusammen und sah an die Decke, als hätte er das schneller geschafft. „Sorry, Boss. Aber fliegen kann ich nicht!“ Und diesen Satz verkneifen ebenso wenig. „Ist ja schon gut. Ich habe schließlich kein Wort gesagt.“ Hm, gesagt nicht. Aber ich hatte einen halben Aufsatz auf seinem Gesicht stehen sehen.
Vier Stunden und zwölf Minuten später fiel ich kopfüber in mein Bett. Tauchgang in die Federn.
Ich hatte mich weder gewaschen, noch mir die Zähne geputzt noch mir die Mühe gemacht mich auszuziehen. Dazu war ich gar nicht mehr in der Lage. Gegessen hatte ich irgendwann unterwegs. Keine Ahnung was. Einen Apfel. Vielleicht. Oder einen Müsliriegel?
Verdammt! Ich war echt hinüber.
So hinüber, dass ich fast aus dem Bett fiel, als das Telefon klingelte. Was es schon länger tun musste. Es zu ignorieren gab ich nach einer Weile auf. Es musste wichtig sein, wenn der Anrufende derart hartnäckig war.
Meine nur zu einem Achtel offenen Augen versuchten die Zahlen auf dem Wecker zu erkennen. Gelang mir jedoch selbst mit Anknipsen der Nachttischlampe nur kläglich.
Scheiß Telefon.
Wenn das nicht wichtig war, würde ich gleich wieder auflegen. „Schmidt. – Was? – Wollen Sie mich umbringen? – Wie? – Fahren Sie doch! – Dann eben ihre Frau! – Oh. – Nein. – Ich kann doch nichts dafür, wenn er ausfällt. – Ja. – Nein. – Ja, ich bin gleich da. Zehn Minuten.“ Wütend krachte ich das Telefon auf den Nachttischschrank.
Anscheinend mit doch mehr Schwung und Kraft als ich geglaubt hatte im Augenblick zu besitzen. Es prallte ab und fiel nach unten. Jetzt bestand es aus mehreren Teilen.
Toll... das hätte ich schon vor dem Einschlafen tun sollen!
Inzwischen sah ich die Zahlen auf meinem Funkwecker etwas deutlicher. Mein Chef wollte mich unter Garantie vorzeitig unter die Erde bringen.
Es war gerade mal ein Uhr.
Wenn überhaupt, hatte ich zwanzig Minuten geschlafen. Pfft… Ruhezeiten waren sowieso überbewertet; besonders bei Personalmangel.
Auf Autopilot hastete ich ins Bad, bürstete mir die Zähne, putzte mir die Haare – oder anders herum – wusch mich notdürftig und huschte zurück in meine Schlafstube, in der ich mich schnell in neue Klamotten zwängte. Eine nächtliche Fahrt in die Hauptstadt war genau das, wonach ich jetzt lechzte.
Haha. Zweihundert oder dreihundert Kilometer.
Eine Strecke.
Und dann musste ich auch noch zurückkommen. Falls möglich lebend und mit heilem Auto.
Ich warf zwei Koffeintabletten ein, deren Vorrat bedenklich schrumpfte und stürzte los. Fast hätte ich die Treppe verfehlt, schaffte es aber gerade noch mich am Geländer zu fangen. Hoffentlich wirkte das Koffein bald. Zur Not hatte ich noch Traubenzucker im Auto. Für alle Fälle. Ob eines der beiden Dinge wirklich half oder ob das merkliche Munterwerden lediglich eine Kopfsache war, interessierte mich nicht. Hauptsache, es funktionierte.
Die Limousine schnurrte unter meinem Hintern wie ein sanftes Kätzchen. Dabei hatte sie einige PS unter der Haube und konnte auch Fauchen wie ein Tiger. Gott, es musste schlimm um mich stehen, wenn ich poetisch wurde.
Wie gern würde ich mir in Berlin eine Absteige suchen und dort übernachten. Doch das war nicht gestattet. Und da der BMW über ein GPS-Signal verfügte, konnte mein Boss sehr gut nachvollziehen, wann ich mich wo aufhielt. Verflixt, es wurde Zeit, dass er sich nach neuen Fahrern umsah!
Es war doch nicht so schwer, diesen blöden Schein zu machen und ein paar Leute durch die Kante zu chauffieren. Von mir aus konnte er auch welche für die Kurierfahrten einstellen – oder so wie ich es machte – für beides.
In den letzten drei Monaten waren vier Kollegen gegangen. Einer, weil ihm die Bezahlung nicht passte. Einer, weil er ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt bekommen hatte und deswegen vorübergehend arbeitsuntauglich war. Eine Kollegin hatte sich in den Schwangerschaftsurlaub verabschiedet und Mirko… ich schluckte beim Gedanken an ihn. Keiner wusste etwas.
Er war wie vom Erdboden verschluckt; seine Wohnung verwaist. Sein Briefkasten quoll über. Weder sein Vermieter noch seine Eltern wussten, wo er steckte. Soweit ich informiert war, hatten sich letztere inzwischen an die Polizei gewandt. Doch selbst nach sieben Wochen fehlte jede Spur von ihm. Es sah ihm nicht ähnlich. Er war ein lebenslustiger, absolut zuverlässiger Kerl. Ein Bär von einem Mann, den nichts umzuwerfen schien. Mit dem man Pferde stehlen konnte. Und dennoch war er verschwunden. Das Merkwürdige war nur, dass er nichts mitgenommen hatte. Sein Auto stand immer noch auf seinem Parkplatz. Laut Aussage seiner Mutter waren sämtliche Papiere in der Wohnung. Sein Portemonnaie. Seine Klamotten. Sogar die Zahnbürste. Einfach alles.
Als wäre er nur kurz vor die Tür gegangen um zu rauchen und hatte sich dabei in Luft aufgelöst.
Irgendwann hatte ich mir sogar Gedanken gemacht, ob ein Razork dafür verantwortlich sein könnte. Immerhin war Mirko ein Typ, den viele als einschüchternd empfanden, wenn sie ihn nicht kannten. Beinah zwei Meter groß, mit einem dicken, aber gepflegten Rauschebart, einer dichten, von einzelnen Silberfäden durchzogene Mähne und unzähligen Tattoos auf den Armen. Durchtrainiert, mit massigen Oberarmen und Schultern, die an einen Boxer erinnerten. Mirko mochte wie ein Bulle wirken, aber in seinem tiefsten Inneren war er ein vierzigjähriger Schmusebär. Nur... soweit ich wusste, fühlte sich kein einziger Razork von einem Menschen eingeschüchtert. Nicht mal, wenn der ein Maschinengewehr in der Hand hielt oder eine Handgranate mit gezogenem Splint.
Also hatte ich den Gedanken recht schnell wieder verworfen.
Der König der Razork mochte kein Menschenfreund sein und hatte damals in seiner Ansprache deutlich gemacht, dass seine Rasse sich den Menschen niemals unterordnen würde – gleichzeitig verlangte er das glücklicherweise auch nicht von den Menschen; gegenüber seiner Rasse.
Trotzdem wagte ich mich aus dem Fenster zu lehnen und zu behaupten, dass er Übergriffe nicht tolerierte. Wie auch immer sie geartet sein mochten.
Die Razork unterlagen ihren eigenen Gesetzen. Zwei Spezies, die sich in friedlichem Miteinander einen Lebensraum teilten, aber vollkommen unabhängig voneinander agierten. Wobei wir uns wirtschaftlich recht gut ergänzten.
Es gab Razork, die für Menschen arbeiteten und umgekehrt auch Menschen, die bei Razork angestellt waren. Keiner hatte ein Problem damit. Unsere beiden Rassen hatten sich arrangiert. Und abgesehen vom Militär hatte wohl ein Großteil der Bevölkerung aufgeatmet. Zwar inzwischen eingeschüchtert von dem Wissen, wozu Razork fähig waren, doch auch seltsam beruhigt. Die Razork hatten uns während des Krieges nämlich– trotz der späten Verluste auf menschlichen Seiten – vergleichsweise mit Samthandschuhen angefasst.
Ich bremste abrupt ab, weil mir das Navi mitteilte, dass ich mein Ziel erreicht hatte.
Theoretisch!
Praktisch sah ich die gesuchte Hausnummer nirgends. Es gab eine 12, 12a, 14, 14a und so weiter, aber keine 13. Auch nicht auf der anderen Seite. Es sei denn, Bäume bekamen neuerdings Hausnummern. Verdammt, wie ich sowas hasste! Was musste dieser Schnösel auch mitten in der Nacht nach Berlin?
Ich nahm das Funkgerät und fragte Horst, meinen Boss, nach einer eindeutigeren Wegbeschreibung. Beziehungsweise der korrekten Adresse.
„Bleib dran.“ Ich nahm an, dass er mit dem Kunden telefonierte. Es klickte kurz im Funkgerät und er war wieder dran. „Du sollst dort warten. Er kommt zu dir.“
Prima.
Machte sicher einen guten Eindruck, wenn der Taxifahrer das Haus nicht fand. Andererseits konnte ich nichts dafür, wenn die Hausnummern nach gut dünken angeordnet waren. Oder sich auf der straßenabgewandten Seite befanden. Hinter verschlossenem Tor. War mir alles schon passiert. Schließlich fuhr ich als Kurier nicht nur die Apotheke, sondern hin und wieder auch Zeitungen, Magazine und Autoteile.
Ich keuchte entsetzt, als die Hintertür aufgerissen wurde, sich ein mürrischer Mann in den Sitz gleiten ließ, die Tür zuschmiss und mich anknurrte, ob ich wenigstens wüsste wie ich nach Berlin käme.
Ich riss mich zusammen.
Ein einfaches, klares Ja sprudelte über meine Lippen, obwohl ich gern was anderes von mir geben wollte. Sowas wie: Querfeldein. Immer der Nase nach. Oder: Wenn ich das Ortseingangsschild von Rom passiere, bin ich wahrscheinlich irgendwo falsch abgebogen.
„Worauf warten Sie noch? Ich muss einen Nachtflug erwischen. Oder glauben Sie, die warten auf mich?“ Jawohl, der Herr. Ich eile. Ich fliege!
Während ich mich auf die Straßen konzentrierte, hackte der Kerl wie ein Irrer auf seinen Laptop ein, was mich ein- oder hundertmal mit den Augen rollen ließ. Einen Nachtflug, hm? Er würde kaum vor sechs fliegen können. Das Boarding dauerte doch locker zwei Stunden. Wenn, dann bekam er höchstens einen Morgenflug. Klang komisch. Hieß vielleicht anders. War mir egal. Wenigstens kamen wir in der Nacht gut voran. Selbst wenn mir das monotone Fahren auf der Autobahn einiges abverlangte.
Dennoch konnte ich den Fahrgast schon nach zweieinhalb Stunden am Flughafen absetzen. Er bezahlte, schnappte seinen Laptop und eilte, die Tür krachend hinter sich zuwerfend, davon.
Meine Laune sank auf Kellerniveau.
Kein Dankeschön, keine Erwiderung auf meine Ansage, dass er einen guten Flug haben sollte, kein Tschüss.
Dafür fünf Cent Trinkgeld.
Fünf mickrige, verfickte fünf Cent.
Fünf!
Cent!
Zerknirscht fuhr ich ein Stück weiter auf einen Parkplatz und legte seufzend meinen Kopf auf das Lenkrad. Just als ich beschloss weiter zu fahren, rauschte der Funk und mein Boss fragte, ob ich schon auf dem Rückweg sei. „So gut wie, warum?“ Eine dumme Frage. Ich sollte ihm bestimmt keine Blumen mitbringen.
„Kundschaft. Von Berlin zu uns auf die Brückenstraße.“ Er nannte mir die Adresse, ich fuhr los.
Natürlich würden die Kunden noch einen Moment warten müssen. Vorher musste ich tanken und mir einen Kaffee besorgen. Und Streichhölzer – für meine Augen.
Vielleicht wären Mikadostäbchen besser?
Ansonsten würde ich spätestens auf der Autobahn ein kleines Nickerchen einlegen.
Benzin war nachts teurer, aber nicht mein Problem. Der Kaffee heiß und genießbar. Die Streichhölzer ließ ich bleiben. Sähe sicher dämlich aus, wenn ich so die Kundschaft in Empfang nähme.
Kurz darauf hielt ich in einer ziemlich vornehmen Gegend.
Das Pärchen stand bereits mit einigen Koffern vorm Haus. Komisch, der Kerl vorhin hatte – bis auf den Laptop – nichts dabei gehabt. Wo fliegt man ohne Koffer hin? Vielleicht war er Pilot.
„Guten Morgen.“, grüßte ich freundlich und bekam einen ebenso freundlichen Gruß zurück. Der Mann half seiner hochschwangeren Frau beim Einsteigen. Ich öffnete den Kofferraum. Die offensichtlich schweren Koffer verstaute er selbst.
Nett.
Da konnte ich mich schonen.
So wie er aussah, musste er ein Razork sein. Die Frau hingegen war zwar wirklich attraktiv, aber meiner Meinung nach ein Mensch. „Sie müssen uns für dumm halten mitten in der Nacht zu reisen. Aber wir wissen nie, wann es soweit sein könnte und ob ich mich gut fühle.“, erklärte mir die Frau lächelnd vom Rücksitz, wobei sie ihren Bauch tätschelte. „Kein Problem. Ich war ja sowieso hier oben unterwegs.“ So nett die Entschuldigung gemeint war, es ging mich nichts an, wann oder warum ein Kunde ein Taxi bestellte.
„Stört Sie es, wenn ich das Fenster ein Stück öffne?“ Von der Rückbank kamen keinerlei Einwände. „Danke. Aber schreien Sie, wenn es hinten zieht.“
Die beiden waren angenehme Fahrgäste. Wir unterhielten uns sogar. Der Razork und ich. Die Frau war nach kurzer Zeit eingeschlafen und er hatte ihr fürsorglich seine Jacke übergelegt. Ich hatte irgendwann gefragt, was er in Berlin machte. Wer hätte gedacht, dass er im Auftrag seines Königs unterwegs war? Vielleicht hätte ich ehrfürchtig erstarren müssen. Aber ich erstarrte nicht. Ich war viel zu beschäftigt ihm zuzuhören beziehungsweise auf die Straße zu achten. Und dabei nicht nur munter zu wirken sondern es auch zu bleiben.
Was mich jedoch wirklich erstarren ließ war die Erkenntnis, dass der König in derselben Stadt wohnte wie ich.
Wow, vielleicht hatte ich ihn ja schon mal irgendwo hin chauffiert?
Nein, bestimmt nicht.
Der hatte sicher seinen eigenen Fahrer. Oder teleportierte sich.
Aus diesem Grund hatten wir auch nur selten Razork als Kundschaft. Konnten Razork keine zweite Person mitnehmen? Oder fürchtete er Probleme während der Schwangerschaft? Was immer der Grund war, ich wollte nicht neugierig sein. Obwohl ich es war.
Und wie!
Die Rückfahrt kam mir kürzer vor - selbst wenn ich zeittechnisch keine Unterschiede feststellte. Ich hielt vor der genannten Adresse und der Mann bat mich kurz zu warten. Zuerst nahm er seine Koffer und brachte sie ins Haus. Dann hob er behutsam seine Frau auf die Arme und brachte sie ebenfalls hinein. Er kehrte zurück, setzte sich auf den Beifahrersitz und reichte mir seine Kreditkarte. Zum Glück funktionierte das Lesegerät ohne irgendwelche Probleme, so dass ich ihm die Karte recht schnell zurück geben konnte. Lächelnd steckte er sie weg, zog einen Fünfziger aus seiner Geldbörse und drückte ihn mir in die Hand. „Für Ihre Mühe. Schlafen Sie gut.“ Jetzt war ich perplex. „Das ist zu viel.“ Er winkte ab. „Das passt schon. Machen Sie’s gut.“ Ich nickte, brachte ein Dankeschön hervor und wünschte ihm ebenfalls einen guten Schlaf.
Hoffentlich konnte er länger schlafen als ich.
Denn in – ich sah auf meine Uhr – fünf Stunden musste ich schon wieder an der Verteilerstelle der Apotheken sein. Manchmal wünschte ich mir, der Tag hätte mehr Stunden. Dann bekäme ich vielleicht endlich mal acht Stunden Schlaf am Stück.
Oder… ich würde noch mehr arbeiten.
Noch länger.
Da es jedoch bei 24 Stunden blieb, wollte ich gar nicht erst darüber nachdenken, was wäre wenn. Sowie ich daheim war, mich grob gewaschen und bis auf Shirt und Slip ausgezogen war, fiel ich in mein Bett und schlief augenblicklich ein. Der blöde Wecker würde schon früh genug wieder klingeln.
Sofern ich ihn gestellt hatte.